ÖGWA Beitrag

Ein Standardwerk zur Medizinischen Aromatherapie und Aromapflege „runderneuert“

Wissensachiv

Petra Rutkowsk

Professionelle Aromatherapie? Das Interesse daran schien in den letzten Jahren
nachgelassen zu haben… Doch als das „Corona-Virus“ immer mehr Menschen infizierte,
begann in Naturheilkunde und Schulmedizin die Rückbesinnung auf die heilsame Wirkung
der Ätherischen Öle (ÄÖ): Beispielhaft empfahl die Deutsche Gesellschaft für
Krankenhaushygiene (DGKH) Ende 2020 das Gurgeln mit Mundwässern auf Basis
ätherischer Öle als effektive Prävention für Mitarbeiter im Gesundheitswesen, aber auch die
gesamte Bevölkerung. Auch der Markt hat reagiert und Hersteller von Naturheilmitteln oder
Pflegeprodukten bieten inzwischen spezielle Mundöle mit Ätherischen Ölen an.
Darüber hinaus führen im psychischen Bereich die Folgen von Lockdown oder zunehmender
Unsicherheit zum gestiegenen Interesse an Ätherischen Ölen, die unser Nervensystem
positiv beeinflussen können.
Dass solche physischen und psychischen Wirkungen der Ätherischen Öle begründet und
vielfältig nutzbar sind, belegt die Neuauflage von „Aromatherapie in Wissenschaft und
Praxis“ aus dem Stadelmann-Verlag. Das Werk vereint deutschsprachige Autoren mit
wissenschaftlichem Renommee und langjähriger Anwendungserfahrung. Eine runde
„Gesamtsicht“ entsteht durch die Beiträge von z.B. Professoren für Pflegewissenschaft,
Medizinischer und Pharmazeutischer Chemie und Biologie oder für Virologie, Ärzten für
Lungenheilkunde, Urologie oder Zytologie, Apothekern, Altenpflegern und Fach-
Krankenschwestern sowie Hebammen, Heilpraktikern, Masseuren, Wickelexperten und nicht
zuletzt Rechtsanwälten.


Gebündeltes Fachwissen auf über 1000 Seiten
Das auf 1000 Seiten zusammengetragene Wissen ist von dem Wunsch geprägt,
Aromatherapie solle „effektiv, nachvollziehbar, sicher, evidenzbasiert, ganzheitlich,
salutogenetisch und personalisiert“ (S. 9) sein. Dafür wurde auch dieser „Fachwälzer“
nochmals erweitert, aktualisiert und klarer strukturiert.
Den „wissenschaftlichen Grundlagen“ folgen in Teil B „Therapiebereiche“ und als Teil C
„Pflegetherapeutische Aromakultur“. Im Kapitel „D“ bieten sogenannte „Steckbriefe“
Monographien zu Ätherischen Ölen, Hydrolaten und fetten Ölen. Der „Rechtliche Rahmen“
rundet die fünf inhaltlichen Teile ab. Aufgrund der schieren Datenmenge des Buches ist
hilfreich, dass der Anhang ein zweifaches Pflanzenregister, ein Glossar und praktikables
Sachregister enthält.
Mit vertiefendem Blick auf die spannenden 120 Seiten wissenschaftliche Grundlagen (Teil A)
seien drei neue Kapitel hervorgehoben: Aussagen zu „Interaktionen von ÄÖ-Inhaltsstoffen
mit konventionellen Arzneimitteln“, eine aktuelle Studienauswertung über „Antimikrobielle
und antivirale Wirkungen von ÄÖ“ sowie die auf den professionellen Punkt gebrachte „Kurze
pharmazeutische Chemie der ÄÖ“.
Die 350 konzentrierten Seiten zu 14 verschiedenen Therapiebereichen (Teil B) zeigen
eindrücklich, dass Ätherischen Öle in einer Vielzahl auch klinischer Krankheitsfälle
erfolgreich eingesetzt werden können. Zumeist wird dazu kurz die konventionelle Therapie
gemäß MSD Manual erwähnt und dann der aromatherapeutische Ansatz gezeigt. Den
Praxisbezug unterstreichen eine Auswahl bewährter ÄÖ und Rezepturvorschläge. Aktuell
sind natürlich die Kapitel zu „Atemwegen“, „Herz-Kreislauf- und Gefäßsystemen“ oder„Immunsystem und Infektionen“ sehr erkenntnisreich. Aber auch die Bereiche „Haut“,
„Schmerzen“ oder die neu aufgenommene „Kinderheilkunde“ sind in der Naturheilkunde
gefragte Einsatzgebiete der ÄÖ.


Pflege
Die 7 Beiträge zur „Pflege“ (Teil C) behandeln auf gut 50 Seiten neben bewährten
Anwendungsformen u.a. auch die Bedeutung individueller Duftauswahl („Aromatherapie in
der Psychiatrie“). Dabei wird der Ansatz gestärkt, dass Pflege und Therapie nicht wirklich zu
trennen sind, sondern ein Gesamtverständnis aromatherapeutische Erfolge ermöglicht.


Schwerpunkt: Steckbriefe
Mit über 450 Seiten besteht der Großteil des Buchs aus den „Steckbriefen“, die maßgebliche
Informationen zu Ätherischen Ölen, Hydrolaten und fetten Pflanzenölen komprimieren. Dies
bildet gut ab, dass diese verschiedenen „Pflanzenprodukte“ in der Aromatherapie eigene
Beiträge liefern können.
Allein die „AÖ“-Steckbriefe wurden stark erweitert auf nun 104 ÄÖ, Extrakte und Absolues.
Der Kanon umfasst jetzt z.B. auch Benzoe Siam, Bergamottminze, Ho-Blatt, Kardamom,
Lorbeer, Petitgrain, Speiklavendel, Tonka-Extrakt, Vetiver oder Wintergrün. Auch den
psychisch wirkkräftigen Absolues von Jasmin, Mimose, Rose und Tuberose werden eigene
Monografien gewidmet.
Die Steckbriefe lassen mit ihrer Fülle an Wissen nicht nur die Herzen von Enthusiasten
höherschlagen, sie sind auch praxisrelevant. Denn einerseits verbinden sie die
wissenschaftliche Perspektive (d.h. klinische und in vitro-Studien) zum ÄÖ mit der
Erfahrungsheilkunde. Zudem verdeutlicht z.B. eine Vielzahl von tabellarischen Vergleichen,
wie wichtig Fachwissen für eine zielgerichtete Therapie ist: Verschiedene Pflanzenarten,
verwendete Pflanzenteile, Anbauorte, Chemotypen oder Herstellungsverfahren ändern z.T.
massiv die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe im Ätherischen Öl als Vielstoffgemisch!
Eine Neuheit, die ihres Gleichen sucht, sind die profunden Steckbriefe zu den Hydrolaten,
die in jahrelanger Laborarbeit in der Bahnhof-Apotheke Kempten erstellt wurden. Die
Erläuterungen und Daten zeigen auf, warum Hydrolate nicht einfach „verwässerte“
Ätherische Öl sind. Vielmehr bieten Hydrolate im Vergleich zum korrespondierenden ÄÖ eine
eigene Zusammensetzung und Einsatzmöglichkeiten.


Fazit
Dies „Schwergewicht“ der deutschen Fachliteratur empfiehlt sich für alle, die das
Zusammenwirken verschiedener Perspektiven für ihre aromatherapeutische Arbeit schätzen.
Wissenschaftliche Studien und gesammelte Erfahrungen aus der Expertenpraxis bieten eine
Fülle an Informationen, die evidenzbasierte Entscheidungen ermöglichen. Allein die große
und informationsgesättigte Sammlung an „Steckbriefen“ wiegt den Preis der Anschaffung mit
Erkenntnisgewinnen auf.
Dieses Lehr- und Handbuch vermittelt zudem eindrücklich, wie relevant in der Komplexität
der Aromatherapie ein fachkundiger Therapeut ist, der auch individuelle Mischungen für
seine Patienten erstellen kann. Denn Aromatherapie bleibt eine heilkundliche Disziplin, die
zwar verstanden und zunehmend evidenzbasiert belegt werden kann. Ihre vielfältige
Wirkmechanismen wollen aber auch „ganzheitlich durchdrungen“ und idealerweise im
Austausch mit dem konkreten Bedürfnis eines Menschen angewandt werden.Petra Rutkowsky, HP Psychotherapie
für den Bund Deutscher Heilpraktiker
• über 10 Jahre als Politikwissenschaftlerin für eine Non-Profit-Organisation tätig
(Aufgabenschwerpunkt: Veränderungsprozesse in Richtung Nachhaltigkeit)
• widmet sich als intuitiver „Nasenmensch“ seit vielen Jahren den Ätherischen Ölen
• Ausbildung bei PhytAro in Aromatherapie und ist Primavera-Aromapraktikerin
• Ihre Leidenschaft gilt den emotionalen Wirkungen und der Biochemie der Aromaöle
• zertifiziert als Projektmanagementfachfrau und Weiterbildung in systemischer
Organisationsberatung
• als Trainerin möchte sie Arbeits- und Duftwelt kreativ miteinander verbinden


Bibliografie
Steflitsch, Wolz, Buchbauer, Heuberger, Stadelmann (Hrsg.): Aromatherapie in
Wissenschaft und Praxis, 2. Auflage, Stadelmann-Verlag; 2021. 1082 Seiten,
Hardcover; ISBN 978-3-943793-96-3
https://www.stadelmann-verlag.de/buch-at.html