ÖGWA Beitrag

Stellungnahme zur dermalen Applikation von Johanniskrautöl

Anja Hackl1 und Iris Stappen1,2

1 Department für Pharmaheutische Chemie, Universität Wien

2 Österreichische Gesellschaft für wissenschaftliche Aromatherapie und Aromapflege (ÖGwA)

bearbeiteter Auszug aus: Hackl A. (2019) „Chemische Zusammensetzung und biologische Aktivität von ätherischem und „fettem“ Johanniskrautöl“, Diplomarbeit an der Universität Wien, S. 52-53.

Fettes Johanniskrautöl ist die meistverwendete Zubereitung von Johanniskraut (Wölfle et al., 2014). Es handelt sich dabei jedoch nicht um reines Pflanzenöl im herkömmlichen Sinne, da es mittels Mazeration unter Verwendung von anderen Pflanzenölen hergestellt wird. Auch wenn aus diesem Grund die genaue Zusammensetzung von Johanniskrautöl nicht eindeutig beschrieben werden kann, zählen die Naphtodianthrone Hypericin und Pseudohypericin (verantwortlich für die Rotfärbung) und die Phloroglucinderivate Hyperforin und Adhyperforin zu den charakteristischen Inhaltsstoffen (Krist, 2013). Untersuchungsergebnisse belegen die positive Wirkung von Johanniskrautöl bei der Wundheilung insbesondere bei Verbrennungen und chirurgischen Wunden, der Anwendung zur Vorbeugung von Wundliegen und Behandlung von Dekubitus (z.B. Süntar et al., 2010; Leuner et al., 2011; Wölfle et al., 2014; Lavagna et al., 2001; Samadi et al., 2010).

Angesichts dieser breiten äußerlichen Einsatzmöglichkeiten und der oft auch großflächigen Anwendung stellt sich natürlich die Frage, inwieweit es zu Wechselwirkungen von Johanniskrautöl mit oral applizierten Medikamenten kommen kann. Diesbezüglich liegen jedoch keine Publikationen vor. Wohingegen die Wechselwirkungen von oral angewendeten Johanneskrautpräparaten mit anderen Medikamenten in einer ganzen Reihe von Studien dokumentiert und immer das Phloroglucinderivat Hyperforin als hauptverantwortlich für diese Wechselwirkungen dargestellt wird (Hänsel & Sticher, 2015).

Aufgrund verschiedener Umstände kann aber angenommen werden, dass keine Wechselwirkungen bei der äußerlichen Anwendung von Johanniskrautöl mit oral applizierten Medikamenten auftreten sollten. Das liegt einerseits am Hyperforingehalt im Öl, andererseits an der Halbbarkeit von Hyperforin und schließlich an der molekularen Beschaffenheit des Wirkstoffes selbst. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der Hyperforingehalt im fetten Öl äußerst gering ist, zumal er sich in der Pflanze selbst zwischen 2 – 4% bewegt, abhängig von Herkunft, Herstellung und der Verwendung verschiedener Trägeröle (Krist, 2013). Aber nicht nur der geringe Wirkstoffgehalt ist als Begründung für das vermutete Fehlen von Wechselwirkungen verantwortlich. Auch der Umstand, dass Hypericin und Hyperforin im fetten Öl innerhalb kurzer Zeit zu inaktiven Verbindungen abgebaut wird, ist zu berücksichtigen Denn schon während kurzer Exposition gegenüber sichtbarem Licht wandelt sich Protohypericin in Hypericin um. Je länger das Öl der Belichtung ausgesetzt ist umso rascher erfolgt der Abbau zu weiteren Produkten bis nach mehreren Wochen selbst Hypericin nur mehr in sehr geringer Konzentration enthalten ist. In frischem Johanniskrautöl liegt das hoch lipophile Phloroglucinol Hyperforin in einer Konzentration von 0.6% vor und wird innerhalb von Tagen ohne Lichtschutz und innerhalb von Wochen mit Lichtschutz zu inaktivem Furohyperforin und Oxyhyperforin abgebaut  (Isacchi et al., 2007). Diese Tatsache könnte abhängig von Alter und Lagerung des Öls also durchaus auch von Relevanz für fehlende Reaktionen sein. Jedenfalls in Betracht zu ziehen und möglicherweise ausschlaggebend für das Fehlen von Wechselwirkungen ist der Umstand, dass Hyperforin infolge seiner molekularen Beschaffenheit ungeeignet für die Resorption über die Haut ist.

Bezüglich des ätherischen Öls gibt es eine simple Erklärung für die mangelnde Dokumentation der Wechselwirkung mit anderen Medikamenten. Hyperforin und seine Derivate können nur mit flüssigem oder überkritischem CO2 extrahiert werden. Das ätherische Öl wird dem europäischen Arzneibuch folgend jedoch durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Demnach ist in den handelsüblichen ätherischen Johanniskrautölen kein Hyperforin enthalten (Crockett, 2010).

Wenn also gar kein Hyperforin im Öl enthalten ist oder nur in einer sehr geringen Konzentration, beziehungsweise allfällig vorhandenes Hyperforin nicht über die Haut aufgenommen werden kann oder bereits in seine inaktive  Form umgewandelt wurde, kann es auch nicht in ausreichendem Maße im Körper für eine Reaktion mit zugleich eingenommenen Medikamenten zur Verfügung stehen und es kann demzufolge auch keine wissenschaftlichen Belege für Wechselwirkungen bei äußerlicher Anwendung von Johanniskrautöl geben.

Somit kann die Verwendung von Johanniskrautölen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft auch bei großflächiger Anwendung (z.B. Dekubituswunden) als unbedenklich eingestuft werden. Denn selbst wenn die Haut so sehr geschädigt ist, dass Hyperforin in den Körper gelangen könnte sind die Wirkstoffmengen in dermal appliziertem fetten Johanniskrautöl so gering – wenn überhaupt vorhanden, dass Wechselwirkungen mit oral verabreichten Medikamenten praktisch ausgeschlossen werden können.

Crockett S. L. (2010). Essential oil and volatile components of the genus Hypericum (Hypericaceae). Natural Product Communications, 5(9), 1493–1506. Retrieved from http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20923012

Hänsel R., Sticher O. (2015). Pharmakognosie Phytopharmazie. (R. Hänsel & O. Sticher, Eds.) (10. Auflag). Berlin: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, S.839-846, Retrieved from http://dnb.ddb.de

Isacchi B., Bergonzi M. C., Carnevali F., Esch S. A. van der, Vincieri F. F., Bilia A. R. (2007). Analysis and stability of the constituents of St. John’s wort oils prepared with different methods. Journal of Pharmaceutical and Biomedical Analysis, 45(5), 756–761.

Krist S. (2013). Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle. (S. Krist, Ed.) (2. Auflage). Vienna: Springer Verlag Wien Heidelberg Dordrecht London New York, S. 296, https://doi.org/10.1007/978-3-7091-1005-8

Lavagna S. M., Secci D., Chimenti P., Bonsignore L., Ottaviani A., Bizzarri B. (2001). Efficacy of Hypericum and Calendula oils in the epithelial reconstruction of surgical wounds in childbirth with caesarean section. Farmaco (Societa Chimica Italiana: 1989), 56(5–7), 451–453. Retrieved from http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11482776

Leuner K., Kraus M., Woelfle U., Beschmann H., Harteneck C., Boehncke W.-H., Schempp C. M., Müller W. E. (2011). Reduced TRPC channel expression in psoriatic keratinocytes is associated with impaired differentiation and enhanced proliferation. PloS One, 6(2), e14716. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0014716

Samadi S., Khadivzadeh T., Emami A., Moosavi N. S., Tafaghodi M., Behnam H. R. (2010). The effect of Hypericum perforatum on the wound healing and scar of cesarean. Journal of Alternative and Complementary Medicine (New York, N.Y.), 16(1), 113–117. https://doi.org/10.1089/acm.2009.0317

Süntar I. P., Akkol E. K., Yilmazer D., Baykal T., Kirmizibekmez H., Alper M., Yeşilada E. (2010). Investigations on the in vivo wound healing potential of Hypericum perforatum L. Journal of Ethnopharmacology, 127(2), 468–477. https://doi.org/10.1016/j.jep.2009.10.011

Wölfle U., Seelinger G., Schempp C. M. (2014). Topical application of St. John’s wort (Hypericum perforatum). Planta Medica, 80(2–3), 109–120. https://doi.org/10.1055/s-0033-1351019